Die Kluft des Vertrauens mit Martina Handler

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Wer jetzt? Demokratie im 21. Jhd.

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Martina Handler ist Politikwissenschaftlerin Mediatorin und Leiterin für Partizipation am ÖGUT-Institut. Im Gespräch mit Philipp Weritz über gesellschaftliches Lernen, wie eine Kluft zwischen Politik und der Bevölkerung entstand und was Beteiligungsmethoden dabei helfen können. „In der Art des Umgangs entsteht die Qualität des Miteinanders“. Martina Handler ist eine große Fürsprecherin von Beteiligungsprozessen. Mit der Plattform partizipation.at hat sie ein umfassendes Informationsangebot erstellt und schildert dort ihre Erfahrungen aus der Praxis. Was macht erfolgreiche Beteiligung aus? „Ein klares Ziel, Klarheit über die angestrebten Ergebnisse, Transparenz im Informationsfluss und Handlungsspielraum. Ganz klar auch: Was wird mit den Ergebnissen im Anschluss passieren?“ Oft wird Beteiligung von politischen Gremien bestellt und sie müsse den Verantwortlichen oft ein Commitment abringen. Vor allem, da Beteiligung immer noch ein ehrenamtliches Engagement ist, fordert sie das mit einem Blick auf die Zeit: „Ich als Begleiterin dieser Prozesse achte immer darauf, dass wir die Zeit so viel wie nötig aber so wenig wie möglich beanspruchen. Für Politik und Verwaltung ist das bezahlte Arbeit, für die Bevölkerung ist das Freizeit“. Erste Prozesse sehen den Wert dieses Engagements als Dienst am Gemeinwohl und entlohnen daher. Das hat auch den zusätzlichen Nutzen, einen diverseren sozioökonomischen Schnitt an den Verhandlungstisch zu bringen. „Was darf Demokratie kosten?“, fragt Handler. Selbst die Politik sei immer wieder überrascht von der Qualität der Ergebnisse: „Damit hätten wir nicht gerechnet, dass ‚einfache Bürgerinnen‘ so etwas erarbeiten können“. Diese Überraschung kommt nicht von irgendwo. „In den letzten Jahren und Jahrzehnten habe ich beobachtet, wie es immer mehr Misstrauen gibt zwischen Politik und Bevölkerung. In beide Richtungen“. Bürgerinnen die Politiker pauschal verurteilen, und politisch Verantwortliche, die in Beteiligungsprozessen nur Stereotypen sehen. Diese Kluft des Vertrauens hat der deutsche Verwaltungswissenschaftler Helmut Klages erforscht, mit dem Resultat, dass institutionalisierte Partizipation sie wieder schließen könnte. Falscher Ort und falsche Absicht Gibt es auch Gelegenheiten, wo keine Form der Beteiligung sich eignet? Inhaltlich sei Beteiligung für fast alles zu verwenden, meint Handler. Komplett fehl am Platz ist sie nur, wenn sie am falschen Ort oder mit der falschen Absicht eingesetzt wird. Das kann zweierlei Form annehmen: 1. Kein ernsthaftes Angebot. „Oft wird Beteiligung nur angeboten, weil sie en vogue ist“. Das fällt für sie unter das Stichwort Pseudopartizipation und habe nur den Zweck, die Bürgerinnen und Bürgern ein Gefühl der Wirksamkeit zu geben, jedoch nicht mehr. Genau diese Augenauswischerei führe oft dazu, dass Partizipation als zahnloses Instrument wahrgenommen wird und sich die Bevölkerung trotz Beteiligung außen vorgelassen fühlt. 2. „Beteiligung ist kein Selbstzweck. Es geht nicht darum, möglichst viele Menschen möglichst lange beschäftigt zu halten“. Kombiniert man das mit einem kleinen Handlungsspielraum, ist der Misserfolg vorprogrammiert. Bürger und Öffentlichkeit Partizipation und Beteiligung verwendet sie synonym. Handler unterscheidet jedoch zwischen Bürgerbeteiligung und Öffentlichkeitsbeteiligung. Bei letzterem sind die Bürgerinnen und Bürger ein Stakeholder von vielen, mit organisierten Interessen, von Wirtschaft über Umwelt bis zu Sozialem. „Ich mache das nicht von der Anzahl der Menschen abhängig, Öffentlichkeitsbeteiligung hat nicht diesen Aspekt von Größenordnung“. In dem Moment wo die Betroffenen über die reine Bevölkerung hinausgehen, ist es für sie eine Form von involvierter Öffentlichkeit.