Die Regeln einer Gesellschaft finden mit Gertraud Diendorfer

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Wer jetzt? Demokratie im 21. Jhd.

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Das Demokratiezentrum Wien feiert heuer sein 20-jähriges Bestehen. Die Leiterin Gertraud Diendorfer im Gespräch über die Vermittlung des Themas und warum sie es überhaupt nicht für abstrakt oder trocken hält. Starke politische Bildung als Institution, und der lange Weg zur Freude an der Demokratie in Österreich. Lesen Sie hier zwei Stichpunkte aus dem Gespräch. „Ich glaube es wird ein wenig überbewertet, dass Demokratie trocken und spröde und schwierig ist. Je mehr man sich mit dem Thema beschäftigt, umso spannender wird sie. Demokratie bestimmt ja unglaublich das eigene Leben, die Rahmenbedingungen, welche Regeln und Möglichkeiten wir haben“. Diendorfer sagt, dass auch eine zielgruppenorientiere Vermittlung wichtig sei. Kinder und Jugendliche werden anders an das Thema herangebracht als es in einem Workshop für Erwachsene der Fall wäre. Ende der 1990er Jahre entstanden die ersten Pläne für das Demokratiezentrum Wien. Zeitgleich mit der Massentauglichkeit des Internets sieht Diendorfer das Potential: „Das Internet hat ja versprochen, dass Wissen demokratisiert wird, dass man direkt und anders kommuniziert, dass eine neue Öffentlichkeit entstehen kann“. Das war ein Teil der Gründungsgedanken. Gemeinsam mit einem interdisziplinären Team aus vielen wissenschaftlichen Bereichen ist aber auch die Forschung und Vermittlung zentral. „Wir wollten das Demokratiezentrum an der Schnittstelle von Wissenschaft, Bildung und interessierter Öffentlichkeit gründen“. Bei der Vermittlung ist Diendorfer sehr direkt, sie hält es nicht für abstrakt: „Das wird schon so vor sich hergetragen und man scheut gleich zurück. Unsere Gesellschaft ist generell komplex. Jede Anleitung für ein technisches Gerät muss ich mir zweimal durchlesen, bei dem Thema Demokratie will man sich dieser Mühe aber nicht aussetzen. Man soll das aber tun, denn es ist ein lohnendes Unterfangen“. Woher kommt die Demokratieverdrossenheit in Österreich? Diendorfer sieht hier vor allem historische Gründe. Österreich sei eine Gesellschaft ohne Revolution, zwei mitverursachten Weltkriegen und einer fehlenden differenzierten Aufarbeitung dieser Verantwortung. „Von daher hat man politische Bildung sehr verengt als Parteipolitik gesehen und das als Indoktrination gesehen. Auch unsere Demokratiegeschichte ist sehr jung“. Demokratie ist nicht gleich Demokratie Die unterschiedlichen Formen von Demokratie sorgen ebenfalls dafür, dass eine Realisierung und Begeisterung sich nicht von alleine einstellt. „Man kann natürlich zur Wahl gehen und dann den gewählten Vertretern und Vertreterinnen sagen, ihr macht jetzt den Job. Ich vertrete aber eine partizipative Form, wo ich mich engagiere und mitbestimmen möchte. Nur dann, wenn ich selbst Verantwortung übernehme, kann ich mitreden und mitgestalten. Das war in Österreich ein längerer Prozess über Jahrzehnte, dass wir Demokratie immer weiterentwickelt haben“. Um dieses Gefühl voranzutreiben, arbeitet sie gerne mit Ausstellungen, das sie als Lernformat nutzt. Vor allem bei Schülerinnen und Schülern kommt die Interaktion des Formats, ergänzt mit technischen Möglichkeiten gut an. Thematisch bleibt hier auch sehr viel möglich, von Integration, Migration, Demokratie an sich oder das Beispiel von Grundrechten: „Schon als junger Mensch habe ich ja gewisse Rechte und kann mich einbringen. Aber weil so wenig politische Bildung vermittelt wird, weil es auch von der Bildung der Lehrer abhängt, ob es ein Fach gibt oder nicht, wissen Schüler oft nicht Bescheid“. Die zweite Schiene, die Diendorfer für wichtig hält, ist daher eine stärkere Institutionalisierung der politischen Bildung, um weniger von einzelnen Schulen, Lehrer*innen und Lehrplänen abhängig zu werden.