Markt gegen Demokratie? Mit Georg Kapsch und Gertrude Tumpel-Gugerell

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Der Präsident der Industriellenvereinigung Georg Kapsch im Gespräch mit der Forscherin und ehemaligen Bankdirektorin Getrude Tumpel-Gugerell über die Kräfte im Kapitalismus und wie sie unsere Demokratien formen. Wie sieht die Beziehung zwischen Demokratie und Wirtschaft aus? Hier lesen Sie Stichpunkte aus dem Gespräch. Widerspruch oder Bedingung? Wie prägt dieses Spannungsfeld die Zukunft der öffentlichen Institutionen, das Bild der Bürger*innen und die Organisation unseres Zusammenlebens? Unter diesen Themen steht das Gespräch, Tesselaar beginnt mit der Frage nach dem Zusammenhang von politischer und wirtschaftlicher Freiheit. Kapsch ist der Überzeugung, dass Markt und Demokratie einander gegenseitig bedingen. „Es gibt keinen Markt ohne Demokratie und es gibt keine Demokratie ohne Markt. Die Frage ist nur, wie man das Regelwerk aufsetzt“. Tumpel-Gugerell beantwortet das aus einer historischen Perspektive. „Nach dem Fall der Berliner Mauer haben wir gedacht, dass alles auf der Welt zu einem Modell konvergieren würde, nämlich freie Marktwirtschaft und Demokratie. 30 Jahre später sehen wir, dass es nach wie vor verschiedene Systeme haben, mit unterschiedlichen Spielräumen“. Sie nennt Hong-Kong und China als Beispiele für Länder, die wirtschaftliche Freiheit vorweisen können, aber politisch noch nicht frei sind. Umgekehrt sei das Österreich der Nachkriegszeit zwar eine Demokratie gewesen, aber der Markt war geregelt und schwerer zugänglich. China sieht Kapsch weder als eine Demokratie, noch als einen wirklich freien Markt. Protektionismus und extrem hoher Staatseinfluss auch in der privaten Industrie machen den Markt für ihn bestenfalls tendenziell frei. Wer passt sich an? Angela Merkel hat während der Eurokrise den Begriff der „marktkonformen Demokratie“ verwendet, damit wurde auch der Gegenbegriff der demokratiekonformen Märkte geprägt. In diesem Konflikt fragt Tesselaar, welchen Ausdruck sie bevorzugen. Tumpel-Gugerell spricht ihre Präferenz für erstere aus. Starke Institutionen, Transparenz, Parlamente und Medien seien Voraussetzungen für eine gute Marktwirtschaft. Tesselaar bringt den Einwurf, dass die Spielregeln der Partizipation in Wirtschaft und Politik gerade neu geschrieben werden. „Für diese Partizipation ist Bildung in beiden Bereichen essentiell. Nicht nur Allgemeinbildung, sondern auch ein Basiswissen in wirtschaftlichen Belangen benötigt man schon. Das ist für die Wirkungsweise und Garantie der Demokratie wichtig“, sagt Kapsch dazu. Ob der Markt nun die Demokratie kontrolliere oder umgekehrt, ist nicht die Frage. Wie viel Kontrolle brauchen Markt und Demokratie jeweils, fragt Tesselaar. Tumpel-Gugerell meint, dass Demokratie durch die o.g. Aspekte gut funktioniert. Der freie Markt würde aktuell Herausforderungen gegenüberstehen, die er alleine nicht lösen kann. „Den Klimawandel und seine Folgen kann man nicht mit dem Wirken einzelner Unternehmen bewältigen. Wir brauchen das Zusammenwirken von Staaten und Kontinenten“. Steuerung und Verfolgung „Demokratie benötigt keine Kontrolle, Demokratie benötigt Steuerung. Menschen müssen wissen, was Demokratie erhält und gefährdet. Der Markt kann fast alles regeln, aber nicht alles. Auch weil nicht alle fair spielen bedarf es gewisser Regulierungen“, fügt Kapsch dem hinzu. Am Beispiel der EU sieht er die Eingriffe von Staat in Wirtschaft fehlgeleitet. "Wir haben zu viele Reglementierungen in den letzten 20, 30 Jahren. Wir können uns kaum mehr bewegen, das gilt für das Individuum genauso wie für Unternehmen. Ich glaube, dass weniger Regulierungen, dafür eine stärkere Verfolgung des Regulierten, besser wären". Tumpel-Gugerell sagt, dass gerade auf internationaler Ebene Interessenspolitik mit Fairnessfragen konkurrieren. "Hohe Wertschöpfung ohne die richtige Besteuerung können nur die EU-Finanzminister lösen. Das Primat der Politik haben wir aber nicht mehr, glaube ich.